departure69
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Störerhaftung - wieder was neues - Fragen

Hallo.

wir betreiben in einer unserer Außenstellen (ein Bürgerhaus mit vielen Vereinsaktivitäten und Veranstaltungen) ein eigenes WLAN. Technisch umgesetzt wurde das von einem Systemhaus, mit dem wir öfter zusammenarbeiten, mittels (damals, 2014, recht kostspieligen) Lancom-Komponenten. Zur Absicherung, insbesondere der damals noch vollumfänglichen Störerhaftung wegen, wurde das ganze mit einem Voucher-System aufgesetzt. Wenn eine größere Veranstaltung oder Vereinsaktivitäten in einem der Gruppenräume anstehen, druckt unser Hausmeister Voucher-Blätter und legt sie in den Räumen, wo etwas stattfindet, aus. Das ist hochgradig umständlich, sowohl für unseren Hausmeister als auch für die Nutzer.

Nachdem die strafrechtliche Störerhaftung schon in 2015/16 abgeschafft wurde, stand bis vor kurzem trotzdem noch die privat-/zivilrechtliche Störerhaftung im Raum (wegen der Gefahr kostenpflichtiger Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen).

Daran hat sich scheinbar vor kurzem etwas geändert.

Hiernach:

https://kommunal.de/artikel/stoererhaftung-offenes-wlan-fuer-kommunen/

gibt es die privat-/zivilrechtliche Störerhaftung zwar immer noch, aber sie wurde etwas "aufgeweicht".

Bisher konnte bei Urheberrechtsverletzungen sofort ein kostenpflichtiges Mahnschreiben eines Abmahnanwaltes kommen. Nun ist es wohl so, daß dies im ersten Schritt nicht mehr vorkommen kann, sondern erst dann, wenn der Rechteinhaber die Urheberrechtsverletzung beim WLAN-Betreiber geltend gemacht und entsprechende Vorkehrungen dagegen eingefordert hat. Erst dann, wenn diese unterbleiben oder nicht schnell genug umgesetzt werden (z. B. URL-Sperren oder was auch immer), kann kostenpflichtig abgemahnt werden, also nicht mehr im ersten Schritt, sondern erst im zweiten.

Nun frage ich mich (mein Chef verlangt meine Meinung/Einschätzung dazu), wie realistisch die Gefahr jetzt noch sein kann. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Jugendlicher (unterstellt, daß es in erster Linie Jugendliche sind, die Urheberrechtsverletzungen begehen, E-Mule & Co.) stundenlang mit seinem Notebook vor dem Bürgerhaus hockt und illegales Filesharing betreibt.

Wie ist Eure - nichtjuristische - Einschätzung der Wahrscheinlichkeit noch obigem Beispiel (mit dem Jugendlichen)?


Vielen Dank.


Viele Grüße

von

departure69

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Printed on: April 19, 2024 at 07:04 o'clock

Member: chgorges
Solution chgorges Jun 29, 2017 updated at 09:09:11 (UTC)
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Zitat von @departure69:
druckt unser Hausmeister Voucher-Blätter und legt sie in den Räumen, wo etwas stattfindet, aus. Das ist hochgradig umständlich, sowohl für > unseren Hausmeister als auch für die Nutzer.

Wenn der HM das wirklich so gemacht hat, hättet ihr auch gleich ein offenes, unverschlüsseltes WLAN ohne Voucher machen können, da der Einsatzsinn von Vouchern komplett verfehlt wurde.

Ansonsten, die Gefahr ist immer noch real und wird immer real bleiben, wenn ihr selber auf eurem Rücken ein WLAN aufspannt, werdet ihr als Provider eingestuft, mit allem drum und dran.

Dafür gibt es ja dementsprechend schon andere Produkte, wie z.B. Telekom WLAN-to-Go, um "den Kopf aus der Schlinge zu ziehen".
Member: departure69
departure69 Jun 29, 2017 updated at 09:18:57 (UTC)
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Zitat von @chgorges:

Zitat von @departure69:
druckt unser Hausmeister Voucher-Blätter und legt sie in den Räumen, wo etwas stattfindet, aus. Das ist hochgradig umständlich, sowohl für > unseren Hausmeister als auch für die Nutzer.

Wenn der HM das wirklich so gemacht hat, hättet ihr auch gleich ein offenes, unverschlüsseltes WLAN ohne Voucher machen können, da der Einsatzsinn von Vouchern komplett verfehlt wurde.

Hhmmm, verstehe. Hat uns das Systemhaus damals so gesagt, daß wir das so machen können.


Ansonsten, die Gefahr ist immer noch real und wird immer real bleiben, wenn ihr selber auf eurem Rücken ein WLAN aufspannt, werdet ihr als Provider eingestuft, mit allem drum und dran.

Das stimmt so nicht, gerade Provider sind nicht in der Haftung, sie genießen das "Provider-Privileg". Sonst hätte bspw. die Telekom ständig ein Riesenproblem.


Dafür gibt es ja dementsprechend schon andere Produkte, wie z.B. Telekom WLAN-to-Go, um "den Kopf aus der Schlinge zu ziehen".

Sicherlich guter Vorschlag, bringt hier aber nichts, das ist unser Zeug, hat vor noch gar nicht langer Zeit sehr viel Geld gekostet und soll natürlich weitergenutzt werden, nur eben einfacher, bequemer, weniger umständlich undsoweiter.

Mit ging es bei meiner Frage auch nicht um die allgemeine Gefahreneinschätzung, sondern um das konkrete Beispiel, ob Ihr Euch vorstellen könnt, daß da wirklich jemand ausgiebiges Filesharing, das bei den Urheberrechtsinhabern auffällig wird, betreibt oder betreiben würde.


Trotzdem natürlich Danke für Deine Antwort.

Weitere Meinungen (nichtjuristische)?


Viele Grüße

von

departure69
Member: chgorges
Solution chgorges Jun 29, 2017 at 09:25:53 (UTC)
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Zitat von @departure69:
Hhmmm, verstehe. Hat uns das Systemhaus damals so gesagt, daß wir das so machen können.

Hm, der Einsatz von Vouchern hat ja nur den Sinn der Nachverfolgung, falls es zu einem Missbrauch kommt.

Das heißt, wenn ein Benutzer einen Voucher möchte, muss er seine Daten hinterlassen und bekommt dann auf seine Daten einen Voucher gebucht, mit dem das WLAN dann genutzt werden kann. Und im Missbrauchsfall kann gezielt diejenige Person angegangen werden.

Schmeißt der HM einfach die Voucher in den Raum, ohne Benutzerzuordnung, kann ja jeder machen, was er will.
Member: keine-ahnung
Solution keine-ahnung Jun 29, 2017 at 09:33:43 (UTC)
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Moin,
druckt unser Hausmeister Voucher-Blätter und legt sie in den Räumen, wo etwas stattfindet, aus.
das ist schick face-smile! Wenn Ihr schon die public-spot-option nutzt, warum macht Ihr das nicht via mail?

Und was das "Juristische" angeht ... die diese Woche im Bundestag angenommenen Änderungen im TMG stehen noch nicht im Gesetz - da sollte man noch ein wenig abwarten, bis das Gedöhns komplett im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde. Es sind offenbar noch kleinere Änderungen nicht ausgeschlossen. Finanziell scheint man dann aber als Anbieter des WLAN bei Verstössen gegen was weiss ich für Rechtsvorschriften über dieses WLAN aussen vor zu sein.

LG, Thomas
Member: departure69
departure69 Jun 29, 2017 at 09:45:02 (UTC)
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@chgorges:

Schmeißt der HM einfach die Voucher in den Raum, ohne Benutzerzuordnung, kann ja jeder machen, was er will.

Naja, der HM schreibt schon auf, wann er wieviele Voucher für welchen Verein und/oder Veranstaltung ausgegeben hat. Allerdings in der Tat nicht, an wen im Einzelnen genau, stimmt.
Member: departure69
departure69 Jun 29, 2017 at 09:47:29 (UTC)
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@keine-ahnung:

Finanziell scheint man dann aber als Anbieter des WLAN bei Verstössen gegen was weiss ich für Rechtsvorschriften über dieses WLAN aussen vor zu sein.

Das ist doch mal 'ne Aussage, scheinst Dich gut auszukennen (zumindest besser als ich) bzw. Dich damit befasst zu haben.

Du schätzt das (kostenpflichtige) Abmahnrisiko bei Urheberrechtsverletzungen also als gering bis fast nicht mehr vorhanden ein?


Viele Grüße

von

departure69
Member: keine-ahnung
Solution keine-ahnung Jun 29, 2017 at 09:53:24 (UTC)
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Lies Dir den verlinkten Titel auf heise.de mal durch ...

LG, Thomas
Member: departure69
departure69 Jun 29, 2017 updated at 09:55:53 (UTC)
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Link?

Edit, sorry, hab's gefunden. Ignorieren.

Und Dankeschön natürlich.

Grüße
Member: VGem-e
Solution VGem-e Jun 29, 2017 updated at 09:58:00 (UTC)
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Servus,

Bayern-WLAN?
Edit (Link): https://www.wlan-bayern.de/

Und was ist evtl. mit einem Personenkreis, der so etwas nutzt, um gefährliche Aktionen (a la Anschlag o.ä.) zu planen??

Gruß
VGem-e
Member: departure69
departure69 Jun 29, 2017 at 10:06:13 (UTC)
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Servus.

Bayern WLAN machen wir schon an 2 anderen Standorten, im Bürgerhaus wollen wir unser teuer gekauftes Lancom-Zeug weiterbetreiben (da ist Bayern WLAN keine Lösung, die würden ihre eigene Infrastruktur/Hardware einsetzen wollen).

Und was ist evtl. mit einem Personenkreis, der so etwas nutzt, um gefährliche Aktionen (a la Anschlag o.ä.) zu planen??

Die strafrechtliche Störerhaftung wurde schon in 2016 abgeschafft, um die geht es (zum Glück) überhaupt nicht mehr, nur noch um den Abmahn-Blödsinn, also Privatrecht/Urheberrecht. Ich persönlich finde, daß ein Anwalt, dessen einziges Geschäftsmodell es ist, kostenpflichtige Abmahnungen zu schreiben, sein juristisches Staatsexamen wieder aberkannt bekommen sollte face-wink.


Viele Grüße

von

departure69
Member: maretz
Solution maretz Jun 30, 2017 at 19:58:03 (UTC)
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Moin,

ganz ehrlich, der Sinn von Vouchern kann auch sein das man eben nicht will das jemand von draussen das WLAN nutzen kann aber intern schon. Wenn ich z.B. bei Bekannten mal nen WLAN-Router installiere nehme ich nen Edding und schreibe das Passwort hinten auf den Router drauf. Wer in der Bude ist (Einbrecher ausgenommen) dem vertraut man genug um den das Passwort eh zu geben bzw. die Person kommt nicht einfach an den Router ran um zu gucken (Vertreter z.B.).

Beim Verein (je nach Grösse) würde ich das z.B. genauso machen. Wenn die Jungs und Mädels dort dann ihr Smartphone anmelden - HF... Der Trainer wird schon sehen (und reagieren) wenn die da nen Laptop rausholen um illegal Daten zu laden.

Von daher: Klar kann man das auch besser lösen, aber man muss mal die Verhältnismässigkeit sehen. Ich kann auch den Raum komplett mit Video-Kamaras überwachen, Tonaufnahmen anfertigen - nur um denjenigen zu erwischen der sein Kaugummi-Papier aufm Tisch hat liegen lassen....

Zum eigentlichen Thema: Aktuell würde ich das WLAN noch nicht freigeben da man nicht zwingend draussen auf der Wiese sein muss (mit entsprechendem Gerät gehen auch einige 100 Meter) und das eben noch nicht endgültig geklärt ist. Leider lässt sich der Staat da immer wieder lustige Sachen einfallen - z.B. das du zwar prinzipiell weniger Ärger hast aber dafür dann technische Sperren einbauen sollst was im Heimrouter-Segment teils nicht mal realisierbar (ohne extra Server) ist. Ich persönlich finde das auch schade weil ich gar kein Problem damit hätte das WLAN hier im Gastmodus freizugeben aber leider ist unser Staat der Meinung dass das illegale runterladen eines Filmes, eines Liedes oder sonstwas nahezu auf einer Stufe mit Massenmord oder dem direkten Einsatz einer Atombombe zu stellen ist... Aber nein, da wird zum Wohle des Volkes gehandelt, nicht aufgrund von der ein oder anderen Parteispende...
Member: departure69
departure69 Jul 03, 2017 at 06:59:28 (UTC)
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Vielen Dank für alle Antworten.

nachdem der Tenor hauptsächlich immer noch in Richtung "Sei Dir nicht zu sicher" und "Abwarten!" ausschlägt, werden wir das komplette Öffnen dieses WLAN nochmal verschieben, bis noch mehr Rechtssicherheit - so sie denn jemals eintritt - da ist. Wir haben keine Lust auf jedwede Post von irgendwelchen Abzock-Advokaten. Der Hausmeister wurde zusätzlich angeweisen, noch genauer Buch zu führen, welchem Verein und zu welchen Veranstaltungen er Voucher zur Verfügung stellt. Das ist zwar noch immer keine personenmäßige Erfassung, aber mehr ist organisatorisch von uns nicht leistbar.

Nochmals danke,


viele Grüße

von

departure69